Archiv: Sehen & Gesehen werden

Caveman - Das Geschlechterkabarett

BB PROMOTION GMBH - Caveman (Holger Dexne) Foto von: Jörg Reichhardt

Über die Unverträglichkeit von Jägern und Sammlerinnen\n

Tom sitzt alleine vor seiner Haustür. Zwischen Koffern. Es gab Ehestreit. Er zog den Kürzeren. Seine Frau Heike setzte ihn vor die Tür. Offensichtlich frustriert über seinen Rausschmiss sinniert er missgelaunt über Männer und Frauen, warum sie sich so oft missverstehen und warum sie nie aufhören werden, sich misszuverstehen.\n \n \n Tom ist "Caveman". Als männliche Hauptfigur im gleichnamigen Solo-Kabarett inszeniert er sich als Nachfahre der Höhlenbewohner aus dem Neandertal. Er performt auf einer Bühne der Moderne, in der sich Geschlechterrollen zunehmend vermischen, in der viele Gesellschaftwissenschaftler die verbleibenden Geschlechterstereotype zwischen Mann und Frau allein auf soziale Konstruktion zurückführen und ihnen ein zunehmendes Verschwinden diagnostizieren. "Was bedeutet es heute, ein Mann zu sein?", fragt Tom. Das sei schwer zu beurteilen, denn "Mann" stolpere zwischen verschiedenen Rollenbildern hin und her, gibt er kurz darauf selbst die Antwort. Was Tom jedoch genau sagen kann ist, dass Männer und Frauen verschieden sind. Grundverschieden. Er plädiert für ihre Einteilung in zwei getrennte Spezies. Als verheirateter 3-Zimmer-Küche-Bad-Höhlenbewohner konzentriert er seinen Bühnenhumor darauf, eben dieser Grundverschiedenheit zwischen den beiden Spezies auf den Grund zu gehen. Er entführt das Publikum in die ungleichen psychologischen Geografien der Männer- und Frauenwelt. Er bewegt sich dabei teilweise nah an der Gürtellinie, aber nie darunter.\n \n \n Zuerst entlarvt Tom den Hochmut der Frau: Aus ihrer Sicht hat die Zivilisation den Mann übergangen. Während die Frau ihre Weiblichkeit zur Hochkultur stilisiert, wirft sie dem Mann vor, auf der Entwicklungsstufe seines Vorfahrs, dem Neandertaler stehengeblieben zu sein. Die kulturelle Blüte - ist sie weiblich? Tom findet, nein. Sowohl Mann als auch Frau sind ihren Vorfahren evolutionsbiologisch treu geblieben. Beide Geschlechter haben aufgrund ihrer prähistorischen Entwicklung geschlechtstypische Verhaltensmuster entwickelt, die weder moderne Frauen noch moderne Männer in der Moderne zu verstecken vermögen. So wird der Mann in Toms Performance konsequent als zielfokussierter, einsamer Jäger porträtiert und die Frau als stets kommunikationsfreudige, aufmerksame Sammlerin mit Auge fürs Detail. Trotz oder eben durch diese Kontrastierung von Mann und Frau rüttelt das Stück an den Pforten des Unverständnis. Irgendwie gelingt es Tom mit seinem überzogenen Stereotypen-Schauspiel, Toleranz und Verständnis zu fördern.\n \n \n Zum Beispiel dafür, dass männliche Autofahrer das Autoradio leiser stellen wenn sie sich verfahren haben und gleichzeitig der weiblichen Aufforderung, einen Passanten um Hilfe zu bitten, nicht nachkommen. Ein solches Verhalten entspricht einfach nicht dem ihrer Vorfahren. Ihre Stammesgeschichte verortete die männliche Hauptbeschäftigung in der einsamen Jagd. Der prähistorische Mann musste weder komplizierte Sozialstrukturen verstehen, noch seine Umgebung im Detail wahrnehmen. Er war dazu bestimmt, beharrlich und leise seine Beute zu fokussieren, sie zur Strecke bringen und sie danach bei Frau und Kindern abzuliefern. Außerdem wissen wir nun, dass Frauen nicht durch die kapitalistische Konsumgesellschaft zu Shopping-Queens mutiert sind. Ihre Stammesgeschichte hat sie schlichtweg dazu auserkoren, als aufmerksame Sammlerinnen umherzustreifen, sich dabei mit ihren Genossinnen auszutauschen und stets aufmerksam auf ihre Umgebung zu achten. Haute Couture und Parfüm ersetzen nun die Beeren und Früchte von damals.  \n \n \n Tom schlüpft bei seiner Darstellung des Geschlechterzwist abwechselnd in die männliche und weibliche Rolle. Mit meisterhafter Wortgewandheit und genialer Gestig kreiert er lebendige, komplett überzogene Geschlechterportraits. In gut zwei Schauspielstunden stampft er Geschlechterstereotypen wie Wohnhausblocks aus dem Bühnenboden. Das Publikum biegt sich zuweilen vor Lachen. Der ein oder andere wirft dem gegengeschlechtlichen Theaterbesucher auf dem Stuhl nebenan verwunderte Seitenblicke zu. Dezentes Nicken begleitet zuweilen Toms Ausschweifungen über die skurrilen Verhaltensmuster des jeweiligen anderen Geschlechts. Danach macht sich jedoch auf Männer- und Frauengesichtern ein mildes Grinsen breit. Dann klingelt plötzlich Tom´s Telefon. Es ist Heike, seine Ehefrau: "Schatz, es wird so langsam kalt draußen. Willst du nicht wieder reinkommen?" Ja, Tom will. Zufrieden grinst er ins Publikum. Die Bühne verdunkelt sich, der Applaus tost, der Vorhang zieht sich zu.\n \n \n Fazit: Die Missverständnisse zwischen Mann und Frau werden nie ein für allemal beigelegt sein. Wir werden uns weiterhin streiten. Wir werden uns weiterhin missverstehen. Wir werden aber auch weiterhin soziale Beziehungen über die Grenzen unserer eigenen Spezies zu pflegen. Und umso empathischer wir das tun, umso besser.\n



Bewertung:

Kommentar schreibenKommentare (0)
Noch keine Kommentare vorhanden.




Datenschutz

Diese Website benötigt Cookies. Einige von ihnen sind essenziell, während andere helfen, diese Website zu verbessern und spezielle Services ermöglichen. Diese Website verwendet keine Marketing-Cookies.